Schneller  laufen – mehr erleben: Mit Speed-Wandern leichter mehr trainieren.

Die fehlenden Wettkämpfe stellen uns Läufer vor eine große Herausforderung, da ein wichtiger Anreiz für systematisches Training fehlt. Um das Training dennoch auf hohem Niveau zu halten, sind neue Ideen gefragt. Speed-Wandern ist dabei ein interessanter Kandidat.

Im Unterschied zum Laufen genießt das Wandern offensichtlich seit Jahrhunderten einen exzellenten Ruf. So behauptete Goethe von sich, was er nicht erlernt habe, habe er sich erwandert. Klingt bestechend einfach, auf diese Art und Weise die Persönlichkeit zu bilden. So hohe Erwartungen werden an das Laufen ganz und gar nicht gerichtet. Laufen ist im Unterschied zum Wandern körperbetont und sehr leistungsorientiert.

Die Geschwindigkeit zählt,

weshalb beispielsweise für die Wahrnehmung der landschaftlichen Schönheiten und dem beiläufigen Studium von Flora und Fauna naturgemäß keine Zeit bleibt. Die Wanderweisheit „Höhe verspricht immer auch Panorama“ ist für einen Läufer ziemlich weit weg. Höhenmeter kosten Zeit, das ist alles. Kulturell bedeutsame Phänomene am Wegesrand oder gar tiefsinnige Gespräche mit der Laufbegleitung sind laufend eher schwierig. Andererseits ist nicht das so hoch gelobte Wandern nahe am schlichten Spazierengehen (macht der Rucksack den Unterschied?) und damit nur ein Pseudosport? Eine Alibiveranstaltung, um sich scheinbar erschöpft bei jeder sich bietenden Gelegenheit mit ungesunden Dingen bei der berühmten Einkehr stärken zu dürfen? Um mit mehr Spaß das Training zu steigern liegt es also sehr nahe, vom Wanderer zu lernen ohne dem Wandern zu verfallen. Tempo drosseln und mehr erleben.

Der laufende Wanderer …

ist gerade so schnell unterwegs, dass die Höhenmeter ihren großen Schrecken verlieren, nimmt sich die Zeit für einen Blick auf das Panorama, liest vielleicht auch das Hinweisschild des kulturhistorischen Kleinods am Wegesrand. Er ist aus Sicht des Wanderers unfassbar schnell und aus der Sicht des Läufers noch eben am unteren sportlichen Limit. So könnte eine neue Leidenschaft entstehen, die für das Training starke Impulse setzt: Speed-Wandern.
Gute Navigation, die richtige Geschwindigkeit und geeignete Ausrüstung sind dabei die Grundpfeiler für den Spaß an der Sache.

Beim Speed-Wandern gibt die Wegbeschreibung aus dem Wanderführer zunächst die Informationen zu den Streckenhighlights. Da bekommt man schon Lust darauf, die Sache anzugehen. Für die Navigation vor Ort („An einer Wegspinne halblinks“) und damit für den Trainingseffekt beim Speed-Wandern sind die kleinen Heftchen jedoch kaum geeignet. Hier ist die Navigation durch Garmin und Co. einfach unschlagbar. Es ist schlicht nicht sinnvoll, den Laufrhythmus durch häufiges Nachlesen der Anweisungen zu unterbrechen. Also einfach die dazugehörigen Tracks herunterladen, auf ein geeignetes Mobile Device aufspielen und es kann losgehen.

Die richtige Pace ist für die gezielte Balance zwischen Vergnügen und Trainingseffekt entscheidend. In Regionen mit gemäßigten Steigungen und zivilisierten Wegen kalkulieren die meisten Wanderführer eine Pace von ca. 15-20 Minuten pro Kilometer. Das ist für den gewünschten Trainingseffekt natürlich nicht ausreichend. Der als durchschnittlicher Volksläufer tätige Speed-Wanderer ist wohl eher etwa doppelt so schnell. Damit sollte genug Luft bleiben, um die Landschaft ausgiebig zu genießen und Sehenswürdigkeiten wahrnehmen zu können, aber dennoch die Grundlagenausdauer zu verbessern.

Die richtige Ausrüstung ist schnell erklärt. Man kann es sicher etwas entspannter halten, als bei Ultraläufen, der finalen Trainingseinheit für den Hermannslauf oder anderen vergleichbaren Ereignissen. Dennoch kann ein Laufrucksack gute Dienste leisten. Darin kann man Getränke verstauen, die Wertsachen unterbringen und ein Erste Hilfe-Set bei Stürzen ist empfehlenswert. Natürlich trägt man keine Wanderschuhe, sondern geeignete Laufschuhe. Auch kann eine etwas wärmere Bekleidung nicht schaden, da man langsamer unterwegs ist. Wanderwege führen gelegentlich auch durch unwegsames Gelände, deshalb ist ein effektiver Zeckenschutz empfehlenswert.
Der typische Speed-Wanderer trabt also ganz locker mit geschultertem Laufrucksack und Navigationsgerät bzw. Smartphone in der Hand vom Wanderparkplatz aus los. Gesagt getan.

Ein erster Versuch führt mich an einem schönen Sonntagmorgen zum Wanderparkplatz Burg Ravensberg am Barenbergsweg in Borgholzhausen. Den Tourenvorschlag entnehme ich den besagten Wanderführern. Für die mit erheblichen 520 Höhenmetern versehenen 13,3 KM sind vier Stunden Wegezeit vorgesehen. Echt? Vier Stunden? Unglaublich diese Wanderer. Ich nehme mir vor, spätestens in zwei Stunden die Sache erledigt zu haben.

Trotz Navigation finde ich den schmalen Pfad der vom Wanderparkplatz zum eigentlichen Wanderweg führt nicht auf Anhieb. Die ersten 10 Minuten sind damit schon vorbei. Ich weiche von der Route ab und laufe gleich hoch zur Burg Ravensberg. Nach einer anstrengenden Steigung nehme ich mir ein paar Minuten Zeit, um den Ausblick von dort zu genießen und die Schilder zu lesen. Dabei zeigt sich ein großer Vorteil des gemäßigten Tempos. Es ist nicht besonders schwierig wieder in den Tritt zu kommen und nach der Pause den Körper wieder an die Belastung zu gewöhnen. Ich passiere als nächstes den Erlebniswald Cleverschlucht. Auf dem Barenberg bremse ich unwillkürlich ab und genieße ein paar Schritte gehend abermals einen wunderbaren Ausblick. Nach einer Gefällstrecke gelange ich dann in das hübsche Hesseltal, welches durch einige Teiche einen sehr lieblichen Charakter hat. Ein paar Kilometer weiter wartet mit der Großen Egge der höchste Punkt der Strecke. Dort erfahre ich, dass hier bereits vor Jahrhunderten tatsächlich Kohle und Erz abgebaut wurden. Dann erregt ein großer Sendeturm meine Neugierde, dessen Funktion ich nicht einordnen kann. Ich nehme mir etwas Zeit und recherchiere, dass es sich um einen Richtfunkturm der Deutschen Bahn handelt. Was es alles gibt! Von dort gelange ich wieder zurück in das Hesseltal. Just an dieser Stelle scheitert die Navigation. Den angezeigten Weg gibt es nicht (mehr). Alles Probieren hat keinen Erfolg. Die angezeigte Strecke ist ein Irrweg. Frei nach dem Grundsatz, niemals denselben Weg zurück zu laufen nehme ich mir die Freiheit, die Tour noch ein wenig auszudehnen. Gut, dass ich die Burg Ravensberg schon zu Anfang besichtigt habe und nicht erst als krönenden Abschluss. Nach etwa 18 Kilometern und 2:15 Stunden habe ich den Ausgangspunkt wieder erreicht.

Auch den Berglauf kann man als eine interessante Variante des Speed-Wanderns gestalten. Bergläufe zeichnen sich meist dadurch aus, dass das Höhenprofil mehr oder weniger einem Dreieck gleicht. Also einmal rauf und ggf. einmal runter. Deshalb sollte ein ideales Terrain über genügend lange (!) Steigungen verfügen (wird im Teuto und selbst im Sauerland schwierig).

Beim Berglauf sind lohnenswerte Ziele besonders hilfreich, da kontinuierliche Steigungen auch bei sehr gemäßigtem Tempo sehr viel Durchhaltevermögen brauchen. Wer es ausprobieren möchte wird z.B. in der Rhön fündig. Die Strecke von Bischofsheim über die Ruine auf den 843m hohen Arnsberg hin zum BR-Sendemast auf dem 928 m hohen Karlsberg hinauf verschafft auf etwa 11 Kilometern knapp 600 Höhenmeter. Ein intensives Treppentraining ist inklusive.

Fazit: Mit Speed-Wandern kann man tatsächlich mehr erleben und sich auf angenehme Art und Weise eine zusätzliche Trainingseinheit verschaffen. Den Körper fordern, trotzdem die Augen offenhalten und genießen, das ist wirklich eine wunderbare Kombination.

In der nächsten Folge wird ein weiteres interessantes Hobby mit dem Laufen verknüpft. Wir werden mehr laufen und als Belohnung auch mehr finden.