MÜNSTER MARATHON – deine best(e) Zeit.

Mit der sechsmaligen Wahl zum besten Marathon Westfalens hatten die Macher des Münster-Marathons 2021 anscheinend das nötige Selbstbewusstsein getankt, um nach der Corona-Pause ein läuferisch sehr anspruchsvolles Motto zu setzen: Der Münster-Marathon soll demnach meine best(e) Zeit werden. Aber die Wahrheit ist, dass ich ziemlich demütig an der Startlinie stehe und absolut so gar nicht an meine beste Zeit glauben kann. Das Ankommen ist keineswegs sicher, der Ausgang ungewiss. Die Zweifel am Vermögen der eigenen Person wachsen ohnehin mit jedem Tag, an dem sich der Starttermin nähert, unaufhaltsam an.

Mach bloß keine Geschichten

So stehe ich also am Sonntag, den 12. September, mit einer schonungslosen Bilanz über meine nun unumkehrbar miserable Vorbereitung, ziemlich unsicher als Novize im vierten und letzten Startblock des Münster-Marathons. Ich sehe mich schon auf dieser flachen Strecke in der Mittagshitze an der einzigen Autobahnbrücke einbrechen und die fröhlichen Fahnen der 4:00h-Pacemaker verschwinden vor mir am Horizont auf nimmer Wiedersehen. Unter vier Stunden will ich bleiben. Völlig unrealistisch! Wie hatten die Lieben daheim mein Vorhaben mahnend kommentiert? Mach bloß keine Geschichten!

Einfach abhaken ...

Ich erblicke das Schloss und frage mich wie zum Trotz, ob die ca. 2.200 Marathonis hier stehen würden, wenn sich alle immer an den fürsorglichen Rat gehalten hätten, keine Geschichten zu machen. Schließlich erinnert die rekonstruierte, fürstbischöfliche Residenz an Zeiten, als scheinbar nur wenige Menschen Geschichten machten, hingegen sehr viele von besten Zeiten nur träumen konnten. Aber, abgehakt die Sache. Dort ist inzwischen Platz für so 44.000 Studierende. Wem solche großen Wendepunkte als Vorbild dafür dienen können, an den guten Ausgang der eigenen Geschichten zu glauben, der wird beim Münster-Marathon fündig, wie sich herausstellen sollte.

Die eine Seite der Medaille!

Wir laufen unter anderem über die asphaltierten, wundervoll alleeartig bepflanzten Reste der ehemaligen Stadtmauer. Echt cool, das man gegenwärtig keine Stadtmauern mehr braucht, um sich vor kriegerische Überfälle zu schützen. In der Innenstadt passiert man auch den Zwinger, der ebenfalls als beeindruckendes Beispiel für die Überwindung mehr als nur unrühmlicher Zeiten der Geschichte gelten kann und deshalb nicht nur sprichwörtlich, die eine Seite der Medaille prägt. Ich stelle erleichtert fest: abgehakt, ist doch der Zwinger heute Teil des Münsteraner Museums für Stadtgeschichte. Das alte und problematische Beharrungsvermögen der Mächtigen blinzelt den Läufern anschließend auf charmante Weise bei Kilometer 25 beim Haus Vögeding zu.

Das nett anzusehende Wasserschloss war einst Sitz der sogenannten Erbmänner, für die der Name wohl Programm war. Sie kämpften jahrhundertelang verbissen um ihre Vorherrschaft und Privilegien. Da spielten die besten Zeiten der übrigen Menschen echt keine Rolle. Auch hier: abgehakt. Heute lebt man dort, ohne sich in diesen Streitigkeiten noch weiter verschleißen zu müssen.

Keine Geschichten machen?

An der Ziellinie am Prinzipalmarkt wartet dann nochmals ein prägnantes, schauriges Stück Geschichte. Der rote Teppich führt direkt auf die Lambertikirche zu. Dort hängen noch heute die Käfige in denen die Leichname der grausamen und grausam gerichteten Anführer der Wiedertäufer für eine Zeit aufbewahrt wurden. Abgehakt: Heute darf allein der glückliche Moment der überstandenen 42,2 km zählen. Zudem, immer wenn sich dennoch letzte Zweifel über den Ausgang der ganzen Geschichte meldeten, traten tausende Zuschauer zuverlässig in Aktion. Fast kein Meter ohne ermutigende Zurufe, musikalische Unterhaltung und sehr gut gelaunte Mitmenschen, die unablässig die Namen der Läufer rufen. Selbstredend sorgte unterwegs darüber hinaus die reichhaltige Verpflegung für einen regelmäßigen Stimmungsaufheller bei uns Läufern.

Ich soll keine Geschichten machen? Warum eigentlich nicht? Die Sache ging gut aus. Der Münster-Marathon und ich haben an diesem Tag erlebt, was dabei herauskommt, wenn viele ständig Geschichten machen: deine beste(n) Zeiten!