An dieser Stelle (https://www.lgburg.de/berichte/283-echt-schillig-laufen-nach-watt-am-27-juli) wurde bereits einmal über den Friesencross berichtet. Aber damals stand der technische Aspekt des Laufens nach Watt im Vordergrund. Dass dadurch andere, ebenso berührende Aspekte unberücksichtigt blieben, wurde mir erst beim 17. Friesencross bewusst. Anlass genug, die damaligen Lücken endlich zu füllen und das Bild abzurunden.

Dreckssache

Man stelle sich vor, im eigenen Zuhause würde alle sechs Stunden der Schlamm eindringen und man müsste anschließend sechs Stunden den Boden wischen, aber es wäre trotzdem unmöglich den gesamten Dreck wegzuschieben. Immer bliebe also ein Rest übrig. Nach so einigen Jahren hätten wir dann eine mehrere Meter tiefe Sedimentschicht in unseren vier Wänden. Wir wären gezwungen, durch diesen Schlamm von Raum zu Raum waten. Im Jadebusen, hoch im Norden im ostfriesischen Wangerland bei Wilhelmshaven treiben Ebbe und Flut im Zuhause der Nordsee genau dieses Spiel. Das ist so selten und beeindruckend, dass das Wattenmeer sogar zum UNESCO-Weltnaturerbe ernannt wurde. Die Ebbe schafft es dort einfach nicht, den gesamten Schlamm der Flut wieder aufs Meer zurückzubefördern. So kreiert die Ebbe für uns Läufer durch ihre „Unvollkommenheit“ täglich eine weltweit einmalige Laufstrecke im Weltnaturerbe, die uns freundlicherweise die Macher des Friesencross vom MTV-Hohenkirchen erschließen.

Unter Beobachtung

Der Reiz des Wattenmeers hat sich herumgesprochen. Denn der Start befindet sich auf dem Gelände eines der größten und ältesten Campingplätze Deutschlands. Das sorgt nicht nur für eine kilometerlange Passage am Badestrand, sondern auch für den ein oder anderen Zuschauer. Nicht wenige verfolgen bequem vom Klappstuhl aus, in typisch legerer Freizeitkleidung und bekannter kulinarischer Grundausstattung das Geschehen. Zwischen dem Ziel und der Bratwurst liegen allerdings insgesamt 10 km (wahlweise auch nur 5 km) und davon so etwa sechs Kilometer auf hoher See, die sich just für kurze Zeit zurückgezogen hat.

Echt sauber

Zäher, grau-schwarzer, nach Meer riechender Schlamm wird in Schillig zum hoch geschätzten Verbündeten für den ultimativen Spaßfaktor beim Lauf durch die Gezeiten. Die Füße rutschen auf diesen Kilometern im Schlamm unaufhörlich seitlich weg oder bleiben wahlweise gleich knöcheltief im Schlamm stecken. Beim Durchqueren der zahlreichen Furchen sinkt man so tief ein, dass das warme Wasser sogar die Waden umspült. Blöd nur, dass gefühlt die halbe Nordsee im Schuh verbleibt.

Irgendwann nähert sich die Läuferschlange dem einzigartigen Verpflegungspunkt auf hoher See. Schon bald kommen einem dann die ganz schnellen Läuferinnen und Läufer entgegen, die bereits den Wendepunkt hinter sich gelassen haben. Für neuen Schwung sorgt auch heute die angenehme Mischung aus strahlendem Sonnenschein und milder Meeresbrise. In der Ferne begleiten die großen Frachter das Geschehen. Immer wieder bohren sich die Füße tief in das Sediment ein, bis man endlich wieder den Strand erreicht. Jetzt noch die schweren Laufschuhe ein paar hundert Meter ins Ziel schleppen und man kann endlich wieder die Segnungen der gebändigten Natur genießen, dazu gehört z.B. die Fuß- und Schuhreinigungsanlage im Dauerbetrieb. Nach Herstellung des optischen Minimalstandards treffen sich die 195 Finisher mit sauberen Füßen und herrlich erfrischt im

Zielareal. Dort ist man nach echter Anstrengung gerne Teil der gelösten und spielerischen Stimmung.

Kein Zweifel, es gibt für uns Läufer nur beim Friesencross die einmalige Gelegenheit, die so erfreuliche Bilanz des eigenen Tuns ausnahmsweise mit den Worten auf den Punkt zu bringen: ganz tief gesunken!

Ergebnisse: https://my.raceresult.com/192077/results

 

Bilder: https://photobello.jalbum.net/220724%20Schillig%20Friesencross/