Zu alten Zeiten würde man sie nun wieder sehen können. All die Läuferinnen und Läufer, die sich im Teutoburger Wald pflichteifrig den Steigungen entgegenstellen und mit letzter Kraft die Bergkuppe erobern. Darunter wie immer sicher auch zahlreiche Vertreter der LG Burg. Eben weil Hermannslauf und Co sowie das gemeinsame Berglauftraining momentan vernünftigerweise der Pandemie zum Opfer fallen müssen, stellt sich die Frage welche Bedeutung das fordernde Berglauftraining eigentlich hat.

Auf www.lauftipps.ch heißt es dazu: „Mit einem Training am Berg profitierst du, auch wenn du dich für einen Wettkampf in flachem Gelände vorbereitest. Du kannst mit einem Berglauftraining (Lauftraining an einer Steigung) die unterschiedlichsten Muskelgruppen optimal trainieren und deine Laufökonomie (möglichst Energie sparend zu laufen) erhöhen. Zudem verbessert sich dein Kniehub und deine Laktattoleranz nimmt zu.“

Vielleicht gilt der Spruch vom Glauben, der im wahrsten Sinne des Wortes Berge – zumindest Höhenmeter – versetzt, aber auch hier. Es könnte sein, dass wir in Wahrheit gar nicht unsere Muskulatur speziell trainieren müssen, sondern vielmehr unsere mentale Verfassung (neudeutsch: Mindset). Oder ist es tatsächlich so, dass harte physiologische Fakten für das Berglauftraining sprechen? Um diese Frage zu beantworten, habe ich einen kleinen Selbstversuch durchgeführt, schließlich sind schon so manche wissenschaftliche Fortschritte bis hin zum Herzkatheter, auf diese Weise erzielt worden.

Die Methode ist relativ einfach: ich laufe ohne spezielle Vorbereitung aus dem Training heraus den Hermannslauf im Wettkampfmodus nach. Die Differenz zu meiner durchschnittlichen Wettkampfzeit aus den Vorjahren müsste im Wesentlichen auf die damalige, spezielle Vorbereitung mit Berglauftraining zurückzuführen sein, wenn nicht andere Gründe herangezogen werden müssen.

Zunächst vergleiche ich deshalb den Trainingsaufwand in den drei Monaten vor meinen bisherigen Hermannsläufen insgesamt und die dabei überwundenen Höhenmeter. Die Trainingsintensität stimmt nur bedingt mit meinem aktuellen Trainingspensum überein. Mein Trainingsumfang ist momentan pro Woche um ca. 10 KM höher, aber Höhenmeter sind absolute Fehlanzeige. Darauf kommt es schließlich an. Selbstredend gibt es am Vorabend des Selbstversuchs eine private Pastaparty und am Morgen vor dem Start das schwer genießbare Spezialmüsli mit Eiern, schwarzer Schokolade, Ingwerpulver und, und, und. Das Wetter ist an diesem Wochenende ebenfalls vergleichbar zu den Vorjahren. Also auch in diesen Punkten unterscheiden sich die Wettkämpfe nicht vom Versuchsaufbau. Echt erschwerend kommt aber der Rucksack für die Verpflegung hinzu. Gott sei Dank gibt es Studien dazu, welchen Einfluss das Körpergewicht (hier: überflüssiges Fett) auf die Pace hat (zum Nachlesen: www.trainingsworld.com Gewichtstuning: weniger wiegen, schneller laufen). So in etwa darf ich mir demnach für den 2 kg schweren Rucksack mindestens 2 Minuten von der Gesamtzeit abziehen. Die nicht mögliche Überquerung der Panzerbrücke lasse ich unberücksichtigt, da schließlich der bremsende Effekt bei der Startrunde um den Hermann fehlt.

Bevor der innerliche Startschuss zum eigentlichen Selbstversuch fallen kann, ist nach gutem wissenschaftlichen Standard vorab zu klären, ab welcher Abweichung der Zielzeiten man überhaupt von einem nennenswerten Effekt sprechen kann. Gar nicht so leicht zu beantworten. Ein Blick auf das Höhenprofil des Hermannslaufs hilft etwas bei der Schätzung. Ca. 320 Höhenmeter (alles ab ca. 8% Steigung) auf einer Strecke von etwa 3 KM sind sehr anfällig für Gehpausen. Bei einer laufenden Pace von durchschnittlich 7 und einer gehenden Pace von 10-12 bedeutet dies einen Verlust von rund 10 Minuten. Ganz schön viel! Unterm Strich lege ich deshalb fest, dass insgesamt die Zielzeit unter Berücksichtigung aller Korrekturfaktoren die durchschnittliche Wettkampfzeit meiner drei Hermannsläufe um 10 Minuten überschreiten müsste, um einen klaren Effekt des Berglauftrainings zu belegen. Genug der Theorie: Wie wird es ausgehen?

Während der Selbstversuch bei idealem Wetter startet, wächst noch im Schatten des Hermansdenkmals die Angst vor der ersten Herausforderung namens Großer Ehberg. Dort sind auf einer Strecke von 1,2 KM fast 100 Höhenmeter zu bewältigen. Im Wettkampf habe ich das bisher immer ohne Gehpause geschafft. Und diesmal? Auch! Mit dieser Erfahrung im Gepäck lasse ich mich optimistisch von oben runter nach Augustdorf rollen. An der Senne entlang geht es unweigerlich in Richtung Tönsberg, den die sozial engagierte Fürstin Pauline vor über 200 Jahren partout, aber letztlich vergeblich zum Mini-Ruhrgebiet ihres Fürstentums machen wollte. Diesem Fanal des Hermannslaufs (650 Meter mit ca. 70 HM) habe ich bisher immer eine Gehpause gewidmet. Es war wirklich knapp und nicht schnell, aber die Gehpause war tatsächlich nicht nötig. Sogar der fest eingepreiste Tiefpunkt, der legendäre AC-DC-Hügel in Oerlinghausen mit dem nervigen, anschließenden leichten Anstieg kann mich heute nicht in die Knie zwingen. Bei den Treppen an der Osningstraße nehme ich wie immer die Strecke für die Weicheier und harre der Dinge die noch kommen. Letztlich ist auch dort keine Gehpause fällig und ich laufe praktisch mit einer Wettkampfzeit über die imaginäre Ziellinie.

Persönliches Fazit: Für die hiesigen Bergläufe ist die Trainingsdistanz wahrscheinlich wichtiger als die Trainings-Höhenmeter. Dennoch ist vor allem das gemeinsame Bergtraining absolut unverzichtbar. Was gibt es Schöneres als im strömenden Regen durch die Wälder zu laufen und anschließend mit selbstgebackenen Plätzchen und heißem Tee gemeinsam den Sieg über den inneren Schweinehund zu feiern?

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