Schneller laufen: sauber bleiben

Im Zeitalter der Smartwatch tragen wir Läufer heute unser kleines mobiles Diagnostikzentrum einfach am Handgelenk und können ohne jede fremde Hilfe unser Training steuern. Steigt der Vo2max Wert? Wie müssen die Belastungszonen im Training verteilt werden? Stimmen Schrittfrequenz und Bodenkontaktzeit? Die ausgeklügelte Technik hat die Antwort auf unsere Fragen. Wir sind unser eigener Trainer.  Immer besser, immer schneller und schneller. Aber, wir sind auch ziemlich allein. Vor allem seit Corona die Welt im Griff hat und die Wettkämpfe leider fehlen. Das technikgestützte Training wird letztlich schnell zum Selbstzweck oder verkommt zur Nachricht für die Interaktion in den letztlich anonymen sozialen Medien.

Ungewohnt: Laufen mit Sinn

Ein Quantum Sinn kann also nicht schaden, wenn zum Training wieder tiefere Motivation hinzukommen soll. Eine prima Idee ist z.B. Laufen und Gutes tun, also spenden. Ein anderer Vorschlag kommt aus Schweden. Plogging genannt, gebildet aus dem schwedischen plocka (pflücken) und joggen. Einfach beim Laufen Müll aufsammeln. So werden wir nicht nur fitter, sondern machen unser Umfeld bei jeder Trainingseinheit ein bisschen schöner und schützen sogar Flora und Fauna. 

 Plogging – geht das?

Vor allem in großen Städten gibt es inzwischen schon Plogging-Gruppen. Man trifft sich mit Plastiktüten in der Hand zum gemeinsamen Müllsammeln. Aber ist das wirklich praktikabel? Gibt es überhaupt genug Müll, der sich zum Aufsammeln eignet? Wie weit muss man laufen, damit sich die Sache lohnt? Macht man sich vielleicht sogar lächerlich? Wie reagiert das Umfeld? Und natürlich: wie ist der Trainingseffekt? Um diese Fragen zu beantworten habe ich einen Praxistest gemacht und musste dabei so manche unerwartete Erfahrung machen.

 100 Meter Müll

Das Konzept sah vor, gleich die große Hausrunde abzulaufen. Das hätte den Vorteil, dass die Aktion schnell in die Routine eingebunden werden könnte. Ich freue mich auf ein besonders intensives Training, schnappe mir eine Mülltüte und aus hygienischen Gründen Handschuhe und Grillzange. Schon nach wenigen Metern, die erste Überraschung. Quasi vor der eigenen Haustür war Müll zu finden. Schändlich! Dann bringt mich der nahe gelegene Supermarkt beinahe an die Grenzen. Sie mögen für Plogger ihre Reize haben, aber permanent auf einem Parkplatz zu joggen ist doch etwas einseitig. Ich entschied mich nach diesem Schock, nur noch herrenlosen Müll im Niemandsland aufzusammeln. Die Hausrunde lag  nach den ersten 100 Metern nun endlich vor mir. Tatsächlich konnte ich weiterhin fleißig Müll vom Wegesrand in die Tüte stecken. Überall fanden sich undefinierbare Plastikfetzen von irgendetwas. Die zweite Erkenntnis ließ nicht lange auf sich warten: 10 Kilometer ploggen sind völlig illusorisch. Schon nach kaum 2 Kilometern war die Tüte voll. Mit etwas Sorge lief ich mit gefüllter Mülltüte in der Hand durch die belebte Siedlung nach Hause. Dritte Erfahrung: Ich werde ignoriert.

 Der Müll geht, der Stolz bleibt

Beim Plogging ist der Trainingseffekt in der industrialisierten Welt überschaubar. Es gibt einfach zu viel Müll, das macht die geschickte Mischung aus Bücken und Laufen ziemlich unmöglich. Aber, die Gewissheit sein „Revier“ in Ordnung gebracht zu haben ist so wunderbar sinnstiftend, dass eine neue persönliche Bestzeit damit kaum mithalten kann. So gibt es letztlich doch eine klare Empfehlung für Schneller laufen – sauber bleiben.

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