„Check In: Wewelsburg an der Grillhütte im Almetal unterhalb der Burg“. Das klingt nicht nur total pandemiegerecht, sondern vor allem nach Naturgenuss, Lagerfeuer und zwangloser Plauderei in bester Gemeinschaft.

Für uns Läufer genau die richtige Ansprache für einen zünftigen Landschaftslauf von A nach B. Ich konnte diesen Verlockungen nicht widerstehen und fahre am heiligen Sonntag erwartungsvoll von der Wewelsburg hinab ins Almetal, um zunächst vom Wanderparkplatz aus zur besagten Grillhütte zu schreiten. Da der Almetal-Marathon kein Rundkurs ist, ist sie nicht nur Startort für den halben (unteren), sondern auch Zielort des ersten (oberen) Halbmarathons, während die Marathonis an dieser Stelle ihr Bergfest feiern und durchrauschen.

Almetal ohne Alme

Allerdings fehlte für ein perfektes Ambiente des Almetal-Marathons ein kleines Detail. Die Alme. Kein Fluss in Sicht, nur ein von allen Wassern verlassenes Flussbett, obwohl die niedrigen Temperaturen und das Wetter der vergangenen Tage wahrlich nicht an eine große Trockenzeit erinnerten. Ist das vielleicht der typisch trockene ostwestfälische Humor? Die hohe Kunst, ohne jede emotionale Regung den Pfeil der Ironie zu versenken? Dieser Treffer sitzt bei mir auf jeden Fall tief. An der Startlinie frage ich mich besorgt, welche weiteren humorvoll gedachten Überraschungen jeden der heute 85 gutgläubigen Teilnehmer erwarten. Andererseits, die Justierung aller Stellschrauben einer aufwändigen Laufveranstaltung profitieren von ingenieursmäßiger Planung und handwerklicher Präzision. Emotionen können dabei nur stören. So gesehen wäre der trockene Humor nur das allerbeste (Vor-)Zeichen für ein in allen Belangen gelungenes Event. Auch für den Läufer selbst ist die Kontrolle der Emotionen meist sehr vorteilhaft, da er den Kopf frei hat und seine vorher zurechtgelegte Strategie einfach abspult. Welche Bilanz würde also am Ende zu ziehen sein? Ein Lauf mit Überraschungen oder sogar ein überraschendes Ende?

Natur mit Humor

Gleich nach dem Start warten die ersten 30 der insgesamt rund 100 Höhenmeter. Ich nehm’s locker und freue mich auf den Abstieg, der tatsächlich schon bald folgt. Man lässt Wewelsburg hinter sich und läuft wieder in das weite Almetal hinein. Schon bald passiere ich mit einer ganz leichten Brise im Rücken bei Niederntudorf den ersten Verpflegungspunkt, an dem mit den Getränken auch ein großes Lächeln überreicht wird. Das tut wirklich gut. Dort zeigt sich zudem die ostwestfälische Natur nochmals von ihrer humorvollen Seite. In der Aue gibt es Quellen, die kommen und gehen. Die Fachleute sprechen vom Quellschwemmkegel. Gibt’s echt nur im Paderborner Land (kein Witz). Schade, dass ich dafür heute gar keine Zeit habe.

Helfer mit Dudelsack

Entlang der herbstlich gefärbten Wälder, die sich mit offenen Feldern abwechseln, laufe ich über gut asphaltierte Wege von Kilometer zu Kilometer. Immer wieder führen kleine Brücken dabei über den Fluß, der sich so gerne versteckt. An den neuralgischen Punkten stehen Helfer bereit, die für jeden Läufer einen freundlichen Hinweis zur Orientierung parat haben. Spaziergänger und die Zuschauer in den charmanten Stimmungsnestern klatschen uns aufmunternd zu. Sogar drei unermüdliche Dudelsackspieler in schottischer Tracht sorgen unvermittelt für Unterhaltung. Die lang anhaltenden eigentümlichen Töne füllen das ansonsten so ruhige Tal. Wer sich jetzt mit den üblichen Kopfhörern beschallen lässt, dem entgeht etwas. Mit einem zwischenzeitlich gefundenen Laufpartner streife ich daran vorbei und langsam hat uns die Stille wieder.

Eine neue Bühne

In dieser klaren und kurzweiligen Atmosphäre fliegen die Kilometermarkierungen nur so vorüber. Es bleibt überhaupt kein Raum für allfällige Grübeleien und Ängstlichkeiten über herannahende persönliche Katastrophen. Einfach laufen. So passiere ich die ersten 10 Kilometer in einer Zeit, bei der ich normalerweise im Wettkampf die Ziellinie überquere. Fühlt sich gut an. Erst später realisiere ich, welche ganz persönliche Bühne mir der Almetal-Marathon dadurch bescheren sollte. Meine Uhr meldet sich bei Kilometer 20 sehr aufdringlich und behauptet, dass ich noch nie in der langen Zeit unserer engen Freundschaft so schnell 10 Kilometer gelaufen wäre. Nicht mal in einem Wettkampf. Jetzt wird mir doch etwas bange. Haben die Macher der Veranstaltung vielleicht zum guten Ende noch eine kleine Portion ostwestfälischen Humors parat? Eine fiese Steigung, eine viel zu kurze Strecke, falsche Streckenmarkierungen, was auch immer. Ganz im Gegenteil! Schon bald folgt nach den letzten Metern im dahin schlafenden Industriegebiet der Zieleinlauf auf der Tartanbahn des sehr ansehnlichen Ahorn-Sportparks in Paderborn. Ich schaue auf meine gestoppte Zeit und glaube zuerst an einen Fehler. Aber ich habe tatsächlich meine jahrealte persönliche Bestzeit um über fünf Minuten verbessert, wie die Ergebnisliste später bestätigt. Mit all seinen Zutaten hat der Alme-Marathon nicht nur mit diesem überraschenden Ende zweifellos gezeigt: am besten läuft’s ganz trocken weg.

Nachtrag

Im Nachgang stellte sich übrigens heraus, dass die Veranstalter vom TSV Wewer mit den weiteren 12 ausrichtenden Vereinen aus der Region gar nichts für das trockene Flussbett können. Durch die frühere Begradigung wurde die Alme immer schneller und spülte sich selbst eine über dem porösen Karstgestein liegende wasserundurchlässige Lehmschicht weg. Das hat man davon.

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