Wenn der Laufkalender nur noch langweilt, alle angeblich ultraschnellen Laufstrecken für die Bestzeit vergeblich getestet wurden und selbst ikonische Volksläufe à la Christkindllauf oder die internationale Avantgarde der Marathonveranstaltungen von London bis New York längst mehrfach abgehakt worden sind, dann empfiehlt sich der ForensikRun, als einzigartiges und auch noch heimatnahes „Lauf-Setting“, um den Sinn antrainierter Bewegungsfreiheit neu zu erleben.

Diese Chance auf nachhaltige Motivation konnten Markus Elbracht, Thorsten Wonnemann, Dietmar Sander und ich nicht widerstehen und öffneten an einem sommerlichen Abend die Autotüren, um mit wenigen Schritten auf den Eingangsbereich des Zentrums für Forensische Psychiatrie in Lippstadt-Eickelborn zuzusteuern.

Dort werden wir von einem freundlichen Mitarbeiter in Empfang genommen. Wir treten ein und die Tür fällt ins Schloss, der Personalausweis in die gesicherte Schublade. Mit einem präzisen Ruck zieht der Mitarbeiter hinter dem grünlich schimmernden Sicherheitsglas die Schublade zu sich. Von jetzt an sind wir Teil einer geschlossenen, aber offensichtlich nicht verschlossenen Gesellschaft, mit ungewohnt strengen Regeln. Fotos, Whats-App und Co müssen heute draußen bleiben. Wir stehen bald darauf mit unserer Begleitung in einer Schleuse. Der nächste Schritt: eine Überprüfung auf harmlose Gegenstände des Alltags, die in dieser Umgebung plötzlich einen fragwürdigen Charakter bekommen. Wir gehen durch den Metalldetektor und endlich werden wir durch eine schwere Tür über das Gelände an den Ort des Geschehens geführt. Eine kleine Wiese, neben einem geschotterten Sportplatz. Erst jetzt fällt mir auf, dass die nummerierten Häuser vergitterte Fenster haben und umgeben sind von meterhohen, unüberwindbaren Zäunen, deren oberer Rand wie eine mächtige Welle nach innen gekippt ist. Hinter den Zäunen die Zuschauerinnen und Zuschauer, sehr nah, aber auch sehr weit weg.

In dieses Ambiente holt die Sporttherapie der Klinik seit mehreren Jahren den Volkslauf zu sich, da der umgekehrte Weg leider unmöglich ist, wie der Initiator, Sporttherapeut Mirko Stellmacher, am Mikrofon treffend erläutert. Minuten vor dem Start wird auch schon für das Aufwärmtraining die genau markierte Wettkampfstrecke freigegeben. So laufen wir im Pulk mit 70 Läuferinnen und Läufern den abgesteckten Kurs zwischen den hochgesicherten Gebäuden. Da der Streckenplanung naturgemäß enge Grenzen gesetzt sind, verteilen sich die 10 km tatsächlich auf 16 lange und eine kurze Runde. Nicht nur uns, stellte das Rundenzählen vor eine Herausforderung.

Bald darauf stehen wir in der Startaufstellung und stellen uns dem Parcours mit seinen teilweise schmalen Wegen und engen Kurven. Im Ziel bekommt man vom sympathischen Team der LWL nach der schweißtreibenden Angelegenheit und den geduldig ertragenen Überrundungen eine handgefertigte Medaille aus Holz, eine Leinentasche und reichlich Getränke mit Bratwurst und Gemüsewraps gereicht. Tolle Zeiten wurden erzielt, aber eine öffentliche Ergebnisliste kann es nicht geben, wohl aber eine Siegerehrung in den Kategorien, Männer, Frauen, Patienten und Patientinnen. Als Dritter kommt Markus als prominenter Vorjahressieger mit der standesgemäßen Startnummer 1, abermals auf das Treppchen in der Männerwertung. Den Siegerinnen und Siegern wird dabei ein vor Ort gefertigter Pokal überreicht, der eine stilisierte Nachbildung des beschriebenen Zauns darstellt.

Bild: v.l  Rainer Beckers, Thorsten Wonnemann, Markus Elbracht , es fehlt Dietmar Sander) 

Schon kurze Zeit später folgt pünktlich der geordnete Rückweg zum Ausgang. Wir bekommen unsere Personalausweise ausgehändigt, öffnen die Tür und lassen das geschlossene Gelände hinter uns. Damit waren die 10 Km für uns mehr als nur ein kurzer, läuferischer Spot des Alltags, denn der ForensikRun hat uns vor allem eines gezeigt: relative Bewegungsfreiheit.

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